Kunst hassen by Nicole Zepter
Autor:Nicole Zepter [Zepter, Nicole]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
veröffentlicht: 2013-09-25T22:00:00+00:00
Schön reden, ins Leere sprechen, schwafeln
Jede Beurteilung von Kunst ist abhängig von dem Begriff, den wir uns über Kunst machen. Trotz der weitverbreiteten Meinung, dass es eine differenzierte Betrachtung der Kunst gibt, ist doch alles: Kunst. In kaum einer Branche wird so stark verallgemeinert wie in der bildenden Kunst. Der Begriff Kunst deckt alles ab: Trash, Glamour, Kitsch, Design, Handwerk, Pop. Jeder Unterschied wird ignoriert, es herrscht hemmungslose Gleichmacherei. Gleichzeitig existiert ein normativer Begriff der Kunst nicht mehr. Was ist Kunst? Die Frage kann nicht beantwortet werden. Die Diskussion über Kunst ist im Keim erstickt. So lesen sich dann auch die Kritiken: schön reden, vorsichtig formulieren, ins Leere sprechen, Worthülsen. Dazu gehören wollen, distanzlos sein, schwafeln. Es ist seichte, vom Ausstellungsbetrieb abhängige Kunstberichterstattung, von einer Beurteilung und dem Diskurs weit entfernt. Denn ja: Es gibt enttäuschende Ausstellungen, langweilige Künstler und nichtssagende Kunstwerke. Doch Feuilletontexte lesen sich wie Ausstellungskataloge, Reviews sind Ansammlungen von neutraler Umschreibung oder Positivbekenntnissen. Selbst aus dem Geschmacksurteil ist reine Bewunderung geworden. Und aus der Kunstkritik Kunst-PR. Das Schreiben über Kunst hat das Beschreiben der Wahrheit verloren, ob als Kritik, Review oder Kunsttheorie.
In seinem Essay »On Bullshit« geht der Philosoph Harry G. Frankfurt der Frage nach, warum wir bewusst Schwachsinn reden: Wir reden über etwas, ohne die Wahrheit oder Unwahrheit der Aussage mit einzubeziehen. Dieses Phänomen trifft ebenso auf die Kunstkritik zu. Die einzige Diskussion, die immer noch zur Genüge stattfindet, beschreibt den Ausschnitt, der das System treibt: den Markt und das Geld. Nicht, dass diese Punkte nicht auch erwähnenswert sind. Doch beschränkt sich die Kritik damit auf einen Blick, der vom System selbst geprägt ist. Nun kann eigentlich in einem System niemand den Blick von außen einnehmen, es würde schon ein wenig Distanz reichen, um zu reflektieren, dass man sich überhaupt in einem System befindet.
Der Kritiker ist jedoch durch seine Klassenzugehörigkeit legitimiert. Er definiert sich nicht über das Tun, sondern über das Sein. Auch wenn er die Differenzierung in seiner Berufsbezeichnung hat – Kritik bedeutet seiner Herkunft nach unterscheiden –, unterliegt sein Urteil dem Prozess der Übereinstimmung. Der Übereinstimmung mit dem Kunstbetrieb. Die Phänomene passen zusammen: Das Sein und Scheinen, das Darstellen, die Heuchelei – und Symposien über Meinungsschwäche als Resultat dessen. Dabei lebt der Kritiker in Zeiten unbequemer Konkurrenz: Heute reicht allein der Preis des Kunstwerks aus, um ein Werturteil abzugeben. Zudem bewältigt er das Zusammenspiel seiner verschiedenen Tätigkeiten nicht: Kritiker sind Künstler sind Galeristen sind Kuratoren. Da verirren sich viele in der Distanzlosigkeit. Es braucht also anscheinend nicht einmal Abstand, um seine Arbeit gut zu machen. Sollen sich Kritiker, Künstler und Galeristen meinetwegen in den Armen – oder miteinander im Bett liegen. Es wäre einfach nur schön, wenn mal wieder jemand nicht gefallen möchte.
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